Die "Haus-und Notfallapotheke" der Friedberger Zeit

Die "Haus- und Notfallapotheke" der Friedberger Zeit - sie "medicina profana et Sacra"

Während des Stadtfestes „Friedberger Zeit“ zieht Apotheker Dr. Hannes Proeller mit seinem Karren durch die Festzone und schart nach Art des Dr. Eisenbart den Kammerchor um sich, um Kunden mit viel Schauspielkunst anzulocken. In seinem „Offizin“ bietet er eine „Haus- und Notfallapotheke“ mit hochwertigen handgefertigten Arzneimittel, Solunaten und pflanzlichen Arzneimittel an. Diese „Haus- und Notfallapotheke“ hat in Friedberg des 18. Jahrhunderts eine Vorgängerin: die Hausapotheke „medicina profana et Sacra“ des Pfarrers Johann Georg Leithin.

Im Jahre 1742, als im Österreichischen Erbfolgekrieg am Fronleichnamstag die untere Vorstadt Friedbergs in Flammen aufging und die Stadt 2800 Gulden Brandschatzung zahlen musste, hatte Pfarrer Johann Georg Leithin, aus Hohenweiler aus Bregenz stammend, die Pfarrei des altbayerischen Dorfes Lechhausen im damaligen Landgericht Friedberg übernommen. In der Nacht vom 13. auf den 14. Oktober 1744 wurde sein Pfarrhof von den Kaiserlichen Soldaten total ausgeplündert. Bei dieser Plünderung kam auch seine Hausapotheke „medicina profana et Sacra“ im Wert von 35 Gulden abhanden. Sie bestand aus medizinischen Mitteln, aus Mitteln der Volksmedizin und aus Mitteln des religiösen Volksglaubens des 18. Jahrhunderts. ( Aus Robert Böck, Pfarrer Johann Georg Leithin von Lechhausen und die Kaiserlichen anno 1744, in Aichacher Heimatblatt Juli 1988)

Pfarrer Leithin führt den Inhalt seiner Hausapotheke auf: „Ein halbdutzend Ärger, und 2 bixen venetianisch meditrat, 2 H. (wohl Hefte) miracul- oder schwarze Pflaster, 1 ½ Ötting, güfftwasßer, 2 große gläsßl Carmeliter-wasser, Item gronneböhr Öhl (=Wacholderbeeröl), 2 dreiysig Gams-Kugl, 2 Pfd Axendia(?), 1 Pfd. malefiz-wax, ein schächtele voll lucas Zetle, 5 häffen allerhand Saltz, bibergail, 1 Pfd. Kapaunen-schmaltz, rothe und weiße Corallen und waß zum Hexenpulver gehört etc.“

Diese Heilmittel waren:

„Ärger“ = Odermennig, Heilkraut bei Erkältungen, stärkt Organe wie Milz, Nieren, Blase, Leber und Galle, „tödtet die würm im leib“.

„Mithidrat“ = Arzneimittel gegen Vergiftungen, aus dem Fleisch von Giftschlangen gewonnen.

Karmelitherwasser = Allheilmittel, in Wein gesottene Melisse.

Gronnebohr = Wacholderöl.

Bibergail = Mittel gegen Krämpfe, Pest, Fieber, Epilepsie und Wahnsinn, gewonnen aus der Drüsensubstanz des Bibers.

Kapaun-, Gänse-,Enten-, oder Hundeschmalz = Mittel zum Einreiben bei Erkältungen der Atem- und Luftwege.

Gamskugeln = Zaubermittel, Kugeln im Magen der Gämse aus unverdauten Pflanzenfasern gebildet.

Malefizwachs = Wachs zur Herstellung von Agnus Dei.

Hexenpulver = Mittel aus verschiedenen pflanzlichen, tierischen und mineralischen Substanzen hergestellt.

Lukaszettl: kleine geweihte Papierzettelchen zum Verschlucken mit Bildern von Heiligen oder geistlichen Formeln.

Korallen: Schutzkraft gegen den bösen Blick, gegen Kopfschmerzen, Epilepsie, Hausausschlag und anderen Krankheiten.

(aus Robert Böck, Die Hausapotheke des Pfarrers Johann Georg Leithin von Lechausen im Jahre 1744, in Aicher Heimatblatt August 1988)

Allerhand Saltz = Schüßlersalze, Globuli.

Axendia = wohl accendia = fidibus, Anzündholz.

Diese Arzneimittel in der Hausapotheke „medicina profana et Sacra“ des Herrn Pfarrer waren kostspielig. Das einfache Volk musste sich anders helfen.

Gabriele Raab und Dr. Hubert Raab

Historische Berater der "Friedberger Zeit"